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Bindungs- und bedürfnisorientiertes Hundetraining - Was soll das eigentlich sein?

  • antoniabeyerlein
  • 18. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Ursprünglich stammt das Hundetraining aus dem Militär im frühen 20. Jahrhundert. Ein Hund hatte zu gehorchen, zu funktionieren. Wie das erreicht wurde? Indem man ihn gebrochen hat - mit Gewalt. Auf vielen Hundeplätzen wabert noch heute der Geist des damaligen "Trainings". In strengem Tonfall wird dem Hund "Sitz, Platz, Fuß" entgegengebrüllt. Es geht um Unterordnung, um Rudelführung und Dominanz (zu diesen Begriffen wird es einen eigenen Beitrag geben...). Es wird gewartet, dass der Hund einen Fehler macht - zack - Leinenruck, Rütteldose. Der Hund wird bestraft. Diese längst überholten Methoden haben in modernem Hundetraining keinen Platz mehr. Leider werden sie trotzdem noch angewendet. Fühlt sich der Hund damit wohl? Sicher nicht. Ist das für die Person am anderen Ende der Leine überhaupt wichtig? ...


Schauen wir uns mal an, wie modernes Hundetraining aussieht!


Bedürfnisorientiertes Hundetraining – den Hund verstehen


Ein Hund ist ein fühlendes Lebewesen mit körperlichen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen. Bedürfnisorientiertes Hundetraining bedeutet, diese ernst zu nehmen.

Anstatt Verhalten mit Druck oder Strafe zu „korrigieren“, fragen wir:


  • Warum zeigt mein Hund dieses Verhalten?

  • Welches Bedürfnis steckt dahinter?

  • Wie kann ich dieses Bedürfnis sinnvoll erfüllen?


Ein Hund, der bellend in der Leine hängt beim Anblick eines Artgenossen, ist möglicherweise frustriert, weil er nicht hin kann. Dabei hätte er so gerne Kontakt zu anderen Hunden. Oder er hat die Erfahrung gemacht, dass fremde Hunde eine Bedrohung darstellen. Dann zielt sein Verhalten darauf ab, Abstand zu halten.

Das Ziel ist kein „funktionierender Hund“, sondern ein Hund, der sich sicher fühlt, verstanden wird und freiwillig kooperiert. Jedes Verhalten hat immer eine Funktion: Nämlich die Erfüllung von Bedürfnissen. Sog. Problemverhalten entsteht dann, wenn Bedürfnisse des Hundes dauerhaft unterfüllt bleiben.


Grundbedürfnisse des Hundes

  • Sicherheit

  • Futter & Wasser

  • Gesundheit, Schmerzfreiheit

  • Ausreichend Ruhe & Schlaf

  • Bewegung

  • Bindung und Nähe

  • Wahl - und Entscheidungsfreiheit

  • Spiel & Beschäftigung

  • Selbstwirksamkeit


Oder anders formuliert:

Jedes Lebewesen strebt nach angenehmen und positiven Gefühlen und versucht gleichzeitig, alles Negative zu vermeiden. Wir alle - Mensch wie Hund - haben das Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung. Wir wollen in verschiedenen Situationen und Lebenslagen handlungsfähig sein, Wahlmöglichkeiten haben und damit das Gefühl, einer Situation nicht einfach hilf- und wehrlos ausgeliefert zu sein. Und schließlich das Bedürfnis nach Bindung. Die Befriedigung dieses Bedürfnisses ist für hochsoziale Lebewesen genauso wichtig wie das Bedürfnis nach Nahrung.

Eine Frau und ein Hund in liebevoller Zuwendung
Die Bindung zwischen Mensch und Hund ist eine komplexe, soziale Beziehung, die auf Vertrauen, gegenseitigem Respekt und geteilten Erlebnissen basiert. Bild: KI-generiert.


Bindungsorientiertes Hundetraining – Beziehung als Schlüssel

Bindungsorientiertes Hundetraining bedeutet, die Beziehung zwischen Mensch und Hund aktiv zu gestalten. Dabei geht es nicht um ständige Nähe oder Kontrolle, sondern um Vertrauen, Verlässlichkeit, Sicherheit und klare Kommunikation.

Ein Hund, der sich in seiner Beziehung zum Menschen sicher fühlt:

  • kann Stress besser bewältigen - er weiß, dass sein Mensch für ihn da ist.

  • zeigt mehr Kooperationsbereitschaft - er hat gelernt, dass es sich für ihn lohnt! Er erwartet Gutes von seinem Menschen

  • und entwickelt weniger problematisches Verhalten - weil er gesehen wird.


Grundprinzipien des bindungs- und bedürfnisorientierten Hundetrainings


  • Wissenschaftlich fundiert: wir setzen auf moderne Lerntheorien und verzichten auf veraltete und wissenschaftlich längst widerlegte Dominanz - und Rudelführertheorien.

  • Positive Verstärkung: das bedeutet, dass erwünschtes Verhalten gefördert und gezielt belohnt wird, sodass der Hund (mit Freude) dieses Verhalten öfter zeigen wird.

  • Passende Trainingssituationen: Der Hund wird nicht einer Situation ausgesetzt, die er (noch) nicht bewältigen kann. Training - und nach Möglichkeit auch der Alltag - wird so gestaltet, dass der Hund Erfolge haben wird.

  • Verzicht auf Strafe: Alles, was dem Hund Schrecken einjagt oder Schmerzen bereitet, wird in modernem Hundetraining nicht angewendet!

  • Kooperation: Der Hund wird als Teil des Mensch-Hund-Teams gesehen. Wir trainieren mit ihm GEMEINSAM, nicht gegen ihn. Das bedeutet auch: Er darf "Nein" sagen!

  • Individuelle Anpassung: Jeder Hund und jeder Mensch ist individuell. Beim Training wird das berücksichtigt!

  • Beziehungsarbeit: Viel wichtiger als sog. Gehorsam ist die Arbeit an der Basis - nämlich der postiven Beziehung zwischen Mensch und Hund. Diese ist das Fundament für alles Weitere.


"Positives Hundetraining setzt keine Grenzen!"

Uns "Positivlern" wird gerne nachgesagt, dass wir dem Hund keine Grenzen setzen würden. Ganz ehrlich: Eigentlich kann ich dieses Thema nicht mehr hören ;-) Ich schreibe trotzdem etwas dazu. Denn natürlich setzen wir Grenzen (das ganze Leben besteht aus Grenzen...).


Der Unterschied liegt im Wie:

  • Keine Strafe, keine Einschüchterung, keine körperliche Gewalt - das führt nur dazu, dass ich einen traurigen Hund in meinem Leben habe. Mein bester Freund? Wohl kaum.

  • Stattdessen setzen wir auf Konsequenz (nicht zu verwechseln mit Härte oder Strenge!), kluges Management und Training, das sichere Signale für den Alltag aufbaut. Ein gut sitzender Rückruf? Die perfekt gesetzte Grenze, wenn mein Hund kurz davor ist, ein Reh aufzustöbern. Die Leine? Eine Grenze, die meinen Hund daran hindert, auf die Hauptstraße zu rennen. Ein zuverlässiges "Sitz"? Eine klare Grenze gegen das Anspringen - ganz ohne, dass ich dem Hund ein Knie in den Bauch ramme. Ich denke, es ist klar, was mit Grenzen setzen gemeint ist.

So entsteht Orientierung – ohne Angst, aber mit Klarheit.


Mehr als Training – es ist eine Haltung

Was mir noch wichtig ist:

Bindungs- und bedürfnisorientiertes Hundetraining ist keine Technik, die man „anwendet“. Es ist eine Haltung, eine Grundeinstellung. Es bedeutet, Hunde ernst zu nehmen. Sie als individuelle Persönlichkeiten zu betrachten. Und als das, was sie sind: Hunde. Keine Roboter. Keine Menschen auf vier Beinen. Sie haben spezifische Bedürfnisse, die wir wahrnehmen müssen. Wir müssen sie als fühlende Lebewesen betrachten, und ihnen mit Empathie und Klahrheit begegnen.


Und: Auch die Bedürfnisse von Menschen zählen – nur wenn beide Seiten gesehen werden, entsteht ein harmonisches Miteinander.


Nirgendwo steht, dass es einfach ist - dass es leicht fällt, einem Hund mit seinen "Päckchen" immer mit Verständnis zu begegnen. Das ist es nicht. Und ja, man wünscht sich manchmal eine schnelle Lösung, damit endlich alles gut wird. Es muss jeder für sich selbst entscheiden, welchen Weg er mit seinem Hund wählen möchte. Mein Weg ist klar: Fair, positiv, getragen von Verständnis und Empathie - für Mensch und Hund.


Wenn du gerade nicht weiter weißt, dir Unterstützung wünschst mit deinem Hund und du fühlst, dass dieser Weg für euch richtig ist, dann melde dich gerne bei mir!


Buchempfehlung:

Elisabeth Beck: Wer denken will, muss fühlen - Mit Herz und Verstand zu einem besseren Umgang mit Hunden, Kynos, 2013

Maria Rehberger: Hunde achtsam führen - Über belohnungsbasiertes Training und bedürfnisorientierten Umgang, animal learn, 2021

John Bradshaw: Hundeverstand, Kynos, 2015

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